Ausstellungsbeispiele

Ausstellungsbeispiele, Recherche und Text: Mona Schubert

1976/81

[Xango], Institut Fondamental de l’Afrique Noir, Université Cheikh Anta Diop de Dakar, anlässlich des 70. und  des 75. Geburtstags des ehemaligen senegalesischen Staatspräsidenten und Dichters Léopold Sédar Senghor

1936 gegründet war das Institut Français d’Afrique Noire (IFAN) Teil der „Zivilisierungsmission“ der französischen Kolonialmächte und diente der Schulung von Administrator:innen für ein besseres Verständnis der afrikanischen Gesellschaften. Das über den Ausbau der westafrikanischen Bildungsressourcen neu gewonnene kulturelle Bewusstsein machte das IFAN zum Inkubator von Unabhängigkeitsbewegungen, wie der Négritude. Frankophone, westafrikanische Studierende, die sich für eine vielseitige und gleichberechtigte Schwarze Kultur und Lebensweise stark machten, wurden später zu politischen Führungsfiguren, wie der senegalesischen Dichter und spätere Präsident sowie Friedensnobelpreisträger Léopold Sédar Senghor.

Der Kontakt zu Senghor kam 1974 über das Forschungsinteresse Hubert Fichtes zustande, der auf seinen Reisen Interviews mit mehreren Staatsoberhäuptern führte, was Leonore Mau wiederum fotografisch dokumentierte. Anlässlich des 70. und des 75. Geburtstags Senghors wurden jeweils 1976 und 1981 eine Auswahl von Maus Aufnahmen aus dem Bildband Xango an der Université Cheikh Anta Diop de Dakar präsentiert, wie die Konferenzschrift Iberoamericana. Literatur Spaniens, Portugals und Lateinamerika (1986) und eine Sonderpressemitteilung zur Erscheinung von Petersilie belegt. Unklar bleibt jedoch, welche Motive genau bei diesen frühen Einzelausstellungen gezeigt wurden, da bislang keine weiteren Archivalien diesbezüglich im Nachlass der S. Fischer Stiftung oder der Université Cheikh Anta Diop de Dakar ermittelt werden konnten.

Ohne Titel (Hubert Fichte im Interview mit Léopold Sédar Senghor), 1974, © bpk / S. Fischer Stiftung / Leonore Mau

1977

Begleitende Ausstellung zu Hubert Fichtes Vortrag, Ketzerische Bemerkungen für eine neue Wissenschaft vom Menschen, Frobenius-Gesellschaft, Frankfurt a.M., 12.01.1977.

Begleitend zu Hubert Fichtes Vortrag Ketzerische Bemerkungen für eine neue Wissenschaft vom Menschen am 12.01.1977 an der Frobenius-Gesellschaft in Frankfurt am Main zeigte Leonore Mau Arbeiten aus dem gemeinsamen Bildband Xango. Die afroamerikanischen Religionen (1976).

Die Bilder dienen nicht der bloßen Illustration des Vortrags, sondern sind vielmehr als Echo zu begreifen, das die von Fichte geforderten Dialog zwischen Wissenschaftler:innen und Einheimischen statt der klassisch-akademischen Herangehensweise, die Fichte als „Paukerrokoko“ bezeichnet, visuell unterstreicht.

Die Bilder aus Xango rücken insbesondere in den 1980er und 1990er Jahren in den Fokus der Ausstellungen Maus; eines der meist gezeigten Motive ist dabei Gläubiger in Trance, das zwischen 1972–1978 in Trou-du-Nord, Haiti entstand.

Ohne Titel (Hubert Fichte, Ketzerische Bemerkungen für eine neue Wissenschaft vom Menschen Vortrag an der Frobenius-Gesellschaft in Frankfurt am Main, 12.01.1977; im Hintergrund Leonore Mau Xango 1976),
Fotograf:in unbekannt

Von links nach rechts: Peter Michel Ladiges, Claus Deimel, Hubert Fichte; Hubert Fichte, Ketzerische Bemerkungen für eine neue Wissenschaft vom Menschen Vortrag an der Frobenius-Gesellschaft in Frankfurt am Main, 12.01.1977; im Hintergrund Leonore Mau Xango 1976),
Fotograf:in unbekannt

Ohne Titel (Gläubiger in Trance), 1972-1978
© bpk / S. Fischer Stiftung / Leonore Mau

Ohne Titel (Vévé), 1972-1975
© bpk / S. Fischer Stiftung / Leonore Mau

Brief an Hubert Fichte von Prof. Dr. Eike Haberland zum Stand der vorgesehenen Ausstellung Dokumente zu afroamerikanischen Religionen im Frobenius-Institut, 1980
© Frobenius-Institut

Zur Ausstellung Dokumente zu afroamerikanischen Religionen im Frobenius-Institut.
Text von Prof. Dr. Eike Haberland
© Frobenius-Institut

1980

Xango, Countee Cullen Branch Library, Harlem Public Library, New York City, Black Emergency Cultural Coalition Inc., kuratiert von der Black Emergency Cultural Coalition Inc., koordiniert von Michael R. Chisolm, 05.-29.11.1980

1969 wurde die Black Emergency Cultural Coalition Inc. (BECC) von einer Gruppe afroamerikanischer Künstler:innen als Protest gegen die Ausstellung Harlem on My Mind. Cultural Capital of Black America, 1900–1968 des Metropolitan Museum of Art, die Beiträge afroamerikanischer Maler:innen und Bildhauer:innen ausgelassen hatte, organisiert. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten mehrere prominente afroamerikanische Künstler:innen wie Benny Andrews und Clifford R. Joseph. Das Hauptanliegen der Gruppe war es, für eine stärkere Repräsentation von afroamerikanischen Künstler:innen in den New Yorker Museen zu sorgen und eine afroamerikanische kuratorische Präsenz zu etablieren. Beispielsweise rief die BECC 1971 zum Boykott des Whitney Museum of American Art auf, nachdem Gespräche zwischen ihnen für eine Ausstellung im Sinne einer größeren Beteiligung und Sichtbarkeit afroamerikanischer Künstler:innen gescheitert waren.

Im Laufe der Jahre ihres Bestehens unterstützte die BECC zahlreiche Vorträge, Diskussionen und Gespräche zu verschiedenen Themen, die die afroamerikanische Gemeinschaft und die Kunst betreffen. Darunter fiel auch die vom BECC in Kooperation mit der PPS-Galerie und dem S. Fischer Verlag organisierte Ausstellung Xango, die 1980 in der Countee Cullen Branch Library in Harlem, in New York City stattfand. Dort wurden Aufnahmen aus dem gleichnamigen Bildband Leonore Maus sowie Petersilie (1980) präsentiert, die Schwarze, religiöse Rituale und Riten der afrikanischen Diaspora dokumentierten. Der afro-amerikanische Maler, Fotograf und Kunstvermittler Michael R. Chisolm übernahm damals die Koordination und wurde zu einem der wichtigsten Interviewparter:innen für Fichtes Roman Die Schwarze Stadt. Aus dem Nachlass des BECC geht hervor, dass die Ausstellung auch dem American Museum of Natural History angeboten wurde, welches diesen Vorschlag jedoch ablehnte. Im Anschluss ging die Präsentation auf eine mehrjährige, vom Goethe Institut organisierte Tour durch Lateinamerika.

Ohne Titel (Die Bronx), 1980, © bpk / S. Fischer Stiftung / Leonore Mau

Buchcover der deutschen Fassung DIE SCHWARZE STADT
© Marlene Burmeister

Ohne Titel (Kongopriester mit Tieropfer und Altar), 1975
© bpk / S. Fischer Stiftung / Leonore Mau

Ohne Titel (Santería-Ritual), 1978
© bpk / S. Fischer Stiftung / Leonore Mau

Buchcover der englischen Fassung THE BLACK CITY
© Anna Götte

Buchseite aus der englischen Fassung THE BLACK CITY
© Anna Götte

1993

Götter aus Afrika, Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Völkerkundeabteilung, Universität Hannover, 19.03.–31.05.1993, kuratiert von Dr. Claus Deimel, Mitarbeit von Ronald Kay

Der Ethnologe und Kurator Dr. Claus Deimel, der mit Hubert Fichte seit Ende der 1970er Jahre im engen, fachlichen Austausch stand, lädt Leonore Mau ein, ihre Arbeiten aus Xango, die er bei seiner Teilnahme von Fichtes Vortrag am Frobenius Institut 1977 gesehen hatte, am Landesmuseum in Hannover zu zeigen.

Die mit Götter aus Afrika betitele Schau ist die erste große Ausstellung Maus in einer ethnologischen Sammlung, und die erste ethno-poetische Schau nach Fichtes Ansatz im deutschsprachigen Raum. Darin wurden Leonore Maus fotografische Aufnahmen aus Xango (1976), Petersilie (1980) und dem noch unveröffentlichten Band Psyche (2005) Sammlungswerken – rituelle Gegenstände aus Mali, Liberia, Côte d’Ivoire, Burkina Faso, Ghana, Togo, Benin, Nigeria, Kamerun, Zair und Haiti – dialogisch gegenübergestellt.

Begleitend erscheint ein zweiteiliger Katalog, der nach Fotografien und Objekten getrennt ist. Ronald Kay, chilenischer Schriftsteller, langjähriger Freund von Mau und Fichte sowie Ehemann von Pina Bausch, ist an der Hängung und der Edition des zweiteiligen Katalogs beteiligt. Kay wird 2006 den letzten Bildband von Fichte und Mau, Die Kinder Herodots (2006), mitverantworten.

Ausstellungsansicht, 1993, © Landesmuseum Hannover

Ohne Titel (Priesterinnen des Tempels „Casa das Minas“), 1981/82
© bpk / S. Fischer Stiftung / Leonore Mau

Ohne Titel (Priesterin Dona Luiza ), 1981/82
© bpk / S. Fischer Stiftung / Leonore Mau

Ohne Titel (Priesterin Dona Juana), 1981/82
© bpk / S. Fischer Stiftung / Leonore Mau

Ohne Titel (Priesterin Dona Flora), 1981/82
© bpk / S. Fischer Stiftung / Leonore Mau

Ausstellungskataloge zu „Götter aus Afrika“
© Marlene Burmeister

2002

Als Gast von Hinrich Sachs: Leonore Mau. Fotografin, Kunsthalle Basel, 23.03–12.05.2002, kuratiert von Hinrich Sachs

2002 lädt der Künstler und Kurator Hinrich Sachs die inzwischen 86-jährige Leonore Mau zu einer Ausstellung in der Kunsthalle Basel ein.

Die Ausstellung bildet nicht nur die erste Einzelausstellung Leonore Maus im Kontext eines Kunstmuseums, sondern zeigte auch erstmalig eine Edition zu den Publikationen ihrer Bilder in Zeitungen und Magazinen. Teil der Ausstellung ist auch das Mappenwerk Grosse Anatomie (1977), das wegen seines sensiblen Inhalts in einem kleinen, bewusst von der Hauptausstellung abgegrenzten Raum gezeigt wird.

Leonore Mau war in Basel verstärkt am kuratorischen Prozess beteiligt; so platzierte sie beispielsweise innerhalb der Serie Priesterinnen ein Porträt ihres Lebens- und Projektpartners Hubert Fichte.

Ausstellungsansicht Als Gast von Hinrich Sachs: Leonore Mau, Fotografin, Kunsthalle Basel, 2002. Foto: Serge Hasenböhler.
Courtesy Kunsthalle Basel / Serge Hasenböhler

Plakat zur Ausstellung Als Gast von
Hinrich Sachs: Leonore Mau, Fotografin
,
Kunsthalle Basel, 2002.
Grafik: Urs Graf, Gregory Vines
© Plakatsammlung SfG Basel

Reprint ausgewählter Zeitschriftenbeiträge von Leonore Mau
© Hinrich Sachs

Ausstellungsansicht Als Gast von Hinrich Sachs: Leonore Mau, Fotografin, Kunsthalle Basel, 2002.
Foto: Serge Hasenböhler.
Courtesy Kunsthalle Basel / Serge Hasenböhler

Hubert Fichte, 1970
© bpk / S. Fischer Stiftung / Leonore Mau

Saaltext zur Ausstellung Als Gast von Hinrich Sachs: Leonore Mau. Fotografin
© Kunsthalle Basel

2020/2021

SITUATION #200: Case Study aus der Sammlung Fotomuseum Winterthur zu den Arbeiten von Leonore Mau, SITUATIONS/The Right to Look, Fotomuseum Winterthur, 29.02.2020 – 14.02.2021, kuratiert von Dr. Doris Gassert u. Mona Schubert

Im Rahmen des experimentellen Ausstellungs- und Forschungsformats SITUATIONS (2015-2021) untersuchte das kuratorische Team des Fotomuseum Winterthur anhand der Arbeiten Leonore Maus, wie ein Umgang mit der eigenen Sammlung unter postkolonialer Perspektive aussehen könnte. Das nach einem Zitat Nicholas Mirzoeffs bezeichnete Cluster The Right to Look widmete sich künstlerischen, kulturellen und kuratorischen Strategien, die die Machtdynamiken des Blicks offenlegen, kritisch befragen, durchkreuzen und neu besetzen. Im Zentrum der in diesem Rahmen realisierten Fallstudie stand zunächst die Provenienz der Serien Grosse Anatomie (1977) und Priesterinnen (1990) sowie des Einzelbildes Afrikanischer Junge mit Blister-Maske (1974). In einem zweiten Umbau im Juni 2020 rückten dann im Austausch mit Hinrich Sachs die Publikationskontexte in den Bildbänden Xango (1976), Petersilie (1980) und Psyche (2005) sowie in Magazinen und Zeitungen in den Vordergrund, für die eine Edition zu den Publikationen von Mau von Hinrich Sachs angekauft wurde. Zusätzlich wurde die Hängung um ein weiteres Sammlungswerk, Die Mauerbilder des Papisto Boy in Dakar (1980), erweitert. Im letzten Umbau im September 2020 wurde schließlich die Zirkulation der Bilder im Rahmen von Ausstellungen, zwischen Kunstmuseen und ethnologischen Sammlungen, über Installationsansichten und begleitende Publikationen nachgezeichnet.

Neben dem sich wandelnden Display im Raum, bei dem Forschungsmaterial unmittelbar neben die Werke platziert wurde, wurden zudem Interviews mit Ausstellungskurator:innen und Vertrauten Leonore Maus erarbeitet, die sowohl im Raum über einen Screen als auch online zugänglich gemacht wurden. Die Fallstudie bildet damit ein unabhängiges Pendant zu dem verstärkt auf Hubert Fichte ausgerichteten Forschungs- und Ausstellungsprojekt Hubert Fichte: Liebe und Ethnologie des Berliner Haus der Kulturen der Welt (2017-2020). https://www.fotomuseum.ch/de/situations-post/leonore-mau/

Im Interview: Dr. Claus Deimel.
Case Study aus der Sammlung Fotomuseum Winterthur zu den Arbeiten von Leonore Mau, 2020, © Fotomuseum Winterthur

1_Februar_2020
Case Study aus der Sammlung Fotomuseum Winterthur
zu den Arbeiten von Leonore Mau,
SITUATION #200, SITUATIONS/The Right to Look,
Ausstellungsansicht Fotomuseum Winterthur, Februar 2020
© Philipp Ottendörfer

2_Juni_2020
Case Study aus der Sammlung Fotomuseum Winterthur
zu den Arbeiten von Leonore Mau,
SITUATION #200, SITUATIONS/The Right to Look,
Ausstellungsansicht Fotomuseum Winterthur, Juni 2020
© Benedikt Redmann

3_Oktober_2020
Case Study aus der Sammlung Fotomuseum Winterthur
zu den Arbeiten von Leonore Mau,
SITUATION #200, SITUATIONS/The Right to Look,
Ausstellungsansicht Fotomuseum Winterthur, Oktober 2020
© Benedikt Redmann