Ausstellungskontexte
Die Ausstellungen von Leonore Mau. Zwischen Kunst und Ethnologie
Mona Schubert (2021/22)
Zu Beginn ihrer gemeinsamen Arbeit dienten die Vorträge ihres Lebenspartners Hubert Fichte und später dann auch Veranstaltungen rund um dessen posthume Rezeption, Leonore Mau als Anlass, um ihre Fotografien der gemeinsamen Reisen zu präsentieren, beispielsweise in der Frankfurter Frobenius Gesellschaft 1977, die bis heute eine der führenden ethnologischen Institutionen bildet, oder im Rahmen des Literatursymposions Fremde. In Memoriam Hubert Fichte (1935-1986) organisiert vom Grazer Kunstfestival Steirischer Herbst 1990. Fichte wiederum gab Lesungen an Maus Ausstellungseröffnungen, wie in der PPS-Galerie in Hamburg 1977, und seine Texte flossen auch nach seinem Tod 1986 immer wieder als zentraler Bestandteil in das Display der Ausstellungen von Mau ein; wie im Völkerkundemuseum Leipzig 2002 oder im Soziokulturellen Zentrum Sudhaus Tübingen 2016. Demzufolge war Leonore Maus und Hubert Fichtes Schaffen nicht nur die im engen Austausch erarbeiteten Publikationen, sondern auch im Kontext von Vortrags- und Ausstellungsprojekten eng miteinander verzahnt.
Aus tiefergehenden Recherchen ging hervor, dass sich Leonore Mau im Senegal und innerhalb der afrikanischen Diaspora um Ausstellungsmöglichkeiten bemühte. So wurden 1976 und 1980 Ausstellungen am Institut Fondamental de l’Afrique Noir (IFAN) in Dakar gezeigt, eine weitere 1978 am Deutschen Institut in Port-Au-Prince, Haiti und eine 1980 in der Countee Cullen Branch Library/Harlem Public Library, New York City. Die seit den ausgehenden 1970er Jahren am meisten präsentierten Aufnahmen stammten dabei aus dem 1976 im S. Fischer Verlag erschienenen Bildband Xango. Die afroamerikanischen Religionen, dessen Abbildungen später in allen bedeutenden ethnologischen Sammlungen Deutschlands gezeigt wurden; in Hannover (1993), Dresden (1999) und Leipzig (2002).
Einige ebenfalls im ethnologischen Kontext zu verortende Ausstellungen waren zudem an themenspezifische Festivals angebunden, wie im Rahmen des 1. Festival ‚Welt-Kulturen-Horizonte‘ (1979) an der Akademie der Künste, Berlin, im Kontext eines Karibik Schwerpunktes am Übersee Museum, Bremen (1980) oder im Begleitprogramm des Freiburger Filmforums im Völkerkundemuseum, Freiburg im Breisgau (heute: Museum Natur und Mensch) (1989).
In Zusammenarbeit mit ihren repräsentierenden Galerien und dem S. Fischer Verlag gab Mau zudem zwei Foto-Editionen heraus, also fotografische Mappenwerke, die ab Anfang der 2000er Jahre insbesondere im Kontext von Kunstausstellungen zirkulierten. 1977 erschien zunächst die Grosse Anatomie, publiziert von der Hamburger PPS-Galerie auf Initiative des Fotografen und Sammlers F.C. Gundlach und 1990 die Priesterinnen, initiiert durch die Basler Galerie Elisabeth Kaufmann. Beide Editionen, denen immer Texte von Fichte vorangestellt waren, waren an der Kunsthalle Basel (2002), in den Deichtorhallen in Hamburg (2014) und am Fotomuseum Winterthur (2021) zu sehen. Neben den Galerist:innen Elisabeth Kaufmann und F.C. Gundlach war außerdem das befreundete Ehepaar Pina Bausch und Ronald Kay wichtige Vermittlungspartner:innen; so stellte Mau zweifach Portraits des Tanz-Ensembles der deutschen Choreografin Bausch in Wuppertal und Montpellier aus. Der chilenische Schriftsteller Kay übernahm nach dem Tod Fichtes 1986 wiederum die Herausgeberschaft der Publikationen Fichtes und unterstützte Mau bei ihren Ausstellungen. Durch diese und weitere Kollaborationen zeichnet sich auch ab, dass sich Leonore Mau in literarischen und künstlerischen sowie links-alternativen Kreisen im deutschsprachigen Raum bewegte; wie in der Freien Akademie der Künste in Hamburg e.V. ab den ausgehenden 1980er Jahren oder im Club Voltaire e.V. in Tübingen, die Maus Werke über Jahrzehnte – 1987, 1992 und 2016 – präsentierten.
Neben dem S. Fischer Verlag, der seit 1976 mit Hubert Fichte und Leonore Mau für ihre Bildbände zusammengearbeitet hat, ist auch das Goethe-Institut als wichtiger, institutioneller Kooperationspartner zu nennen. Erstmalig war das Goethe-Institut an einer Wanderausstellung von Xango beteiligt, die zwischen 1982 bis 1983 in mehreren südamerikanischen Standpunkten präsentiert wurde. Weitere Kooperationen folgten 2001 im Goethe-Institut Salvador und 2017/18 im Goethe-Institut Rio de Janeiro und Salvador. In ihren letzten Jahren und kurz nach ihrem Tod spielte schließlich Leonore Maus Heimatstadt Hamburg eine besondere Bedeutung, wo in den 2010er Jahren mehrere Überblicksausstellungen realisiert wurden; in den Deichtorhallen 2005/06 und 2014 sowie im Jenisch Haus 2016/17. Tiefergehende, recherchebasierte Ausstellungen fanden 2017-2020, initiiert durch das Haus der Kulturen der Welt (HKW), Berlin mit einem Fokus auf Hubert Fichte und 2020 am Fotomuseum Winterthur mit einem Fokus auf Leonore Mau statt.
Während die Publikationskontexte der Fotografien Leonore Maus bereits 2002 erstmalig durch den Kuratoren Hinrich Sachs im Rahmen einer Edition für die Kunsthalle Basel aufgearbeitet werden konnten, stand eine solches Unterfangen im Hinblick auf die Ausstellungen der Künstlerin aus. Durch eine Kooperation zwischen der S. Fischer Stiftung mit dem Fotomuseum Winterthur konnte diese Forschungslücke 2020/21 umfangreich aufgearbeitet werden.
Danksagung
Für Ihre Hinweise, Recherchen und unseren Austausch danke ich ganz herzlich Dulcie Abrahams Altass, Nina Bingel, Marlene Burmeister, Bianca Bozzeda, Regina Bühlmann, Nathalie David, Claus Deimel, Silvia Dolz, Carmen Domínguez, Sebastian Dressel, Anita Eylmann, Maria Fiedler, Hartmut Fischer, Julian Fuchs, Doris Gassert, Heike Gerlach, Anna Götte, Nadine Gruner, Andrea Hadem, Sabine Hohnholz, Sonja Janßen, Tim Kirchner, Alexandra Kuhnke, Franziska Mecklenburg, Dominik Nürenberg, Margit Tabel-Gerster, Hinrich Sachs, Alexandre Santos, dem Schomburg Center, Thomas Seelig, Silke Seybold, Gereon Sievernich, Mareike Späth, Peter Steigerwald, Urs Stahel, Jörg Wenzel, Isabel Waquil und Maike Zeidler.